Sie ist bunt, weich und schwerer, als man denkt: Die Ussy. Michael (30) aus Atlanta und Thomas (34) aus Ulm, haben das Sextoy in Berlin entwickelt. Sie sagen: “Der erste Masturbator mit Style!” – und noch dazu soll er Frauen nicht zu Sex-Objekten degradieren. Ein Toy, das angeblich nicht in die Schmuddelecke gehört. Im Gegenteil: Ab Mai wird es im renommierten “Museum of Sex” in New York zu sehen sein.
Das Interview haben wir bei jetzt.de veröffentlicht. Eine ausführlichere Version gibt’s hier:
Z&Z: Heute schon masturbiert?
M: Ja. (Beide nicken.)
Mit der Ussy?
M: Ja, ich habe die da heute benutzt. (Zeigt auf die Ussy auf dem Tisch und lacht.) Aber keine Sorge, ich habe sie gut saubergemacht. Und ich habe was Neues entdeckt: Du kannst sie aufs Bett legen und sie freihändig ficken.
T: Ich mach’s nur ab und zu mit Ussy. Wenn ich es mir selber mache, muss es meistens schnell gehen und sie braucht schon ein bisschen Vorbereitung: Du musst sie rausholen, brauchst ein bisschen Gleitcreme. Manchmal bin ich dafür zu faul.
Aber ist das Masturbieren mit Ussy immer besser?
T: Das Kommen an sich auf jeden Fall. Es ist nicht wie eine Socke oder sich auf die Hand zu setzen, um das Gefühl einer fremden Hand zu haben. Es ist einfach was ganz anderes, ein drittes Ding.
M: Du kommst eben in etwas rein. Das ist ein schönes, warmes Gefühl.
Wie kommen zwei junge Männer dazu, zusammen ein Sextoy zu entwickeln?
M: Die Geschichte begann vor etwa vier Jahren. Meine damalige Freundin und ich hatten uns gerade getrennt und sie ist direkt mit meinem besten Kumpel zusammengekommen. Ich war total fertig, lebte in einer Bar und auch eine Weile bei Thomas. Eines Abends sagte ich zu ihm: “Ich brauche irgendeine Aufgabe, sonst drehe ich durch.” Und dann sagte er: “Ich habe da seit einer Weile diese Idee.” Noch in derselben Nacht habe ich zig verschiedene Designs gezeichnet.
T: Er hat plötzlich so viel Energie da reingesteckt. Als ich am nächsten Abend total nichtsahnend nach Hause kam, war der ganze Tisch voller Zeichnungen und Tonmodelle. Dann folgten ganz viele langweilige Abende, an denen wir nur am PC saßen und an den Feinheiten des Designs gefeilt haben. Das war eine Menge Arbeit. Wir wollten es sehr schlicht und abstrakt halten, aber gleichzeitig sollte es auch organisch aussehen.
Als die Form klar war, wie habt ihr die erste Ussy hergestellt?
M: Wir haben uns Silikon, eine Vakuumkammer mit Pumpe und drei große Spritzen besorgt, mit denen man eigentlich Öl umfüllt. Damit haben wir in meinem Wohnzimmer das Silikon in die Form gegossen.
Hat das sofort geklappt?
M: Nein, anfangs hatten wir immer wieder kleine Luftbläschen im Silikon. Die konnten wir natürlich nicht verkaufen. Das Silikon, das wir benutzt hatten, war außerdem noch zu hart. Thomas hat dann eine Firma in Süd-Berlin gefunden, die das für uns mit weicherem Silikon und ohne Bläschen machen.
Wann war das erste Mal, dass ihr gedacht habt: Geil, so kann das funktionieren?
T: Gleich bei den ersten Prototypen! Die haben wir Freunden zum Testen gegeben und obwohl das Material da noch ein bisschen hart war, haben fünf von sechs gesagt: “Ja, das ist toll!” Als wir dann die mit dem weichen Silikon ausprobiert haben, war sofort klar, dass es super ist.
Warum eigentlich Silikon? Stichwort: Umweltfreundlichkeit.
T: Viele Toys werben damit, dass sie Naturkautschuk mit drin haben. Das hört sich natürlich hervorragend an: Bio am Schwanz, super! Aber tatsächlich ist es so, dass Naturkautschuk unterm Mikroskop an der Oberfläche porös ist, also kleine Löcher hat. Und wenn die nicht hundertprozentig trocken werden, dann fangen die schnell an zu schimmeln in diesem engen Kanal.
Die Ussy soll man dagegen ein Leben lang benutzen können, versprecht ihr. Aber mal ehrlich: Will man das?
M: Klar, warum nicht? Du könntest sie deinen Kindern vererben. (Beide lachen.) Nein im Ernst, es ist einfach sehr gutes Material und leicht zu reinigen mit Wasser und Seife. Theoretisch könnte man es sogar in den Geschirrspüler tun, nur die Chemikalien in den Tabs sind vielleicht zu aggressiv.
Ihr sagt, euch war wichtig, dass die Ussy Frauen nicht zum Objekt macht.
M: Ja. das ist uns sehr wichtig.
T: Deshalb haben wir sie auch so abstrakt gehalten. Also es gibt viele Sextoys, die haben zum Beispiel Haare oder Hautfalten. Es gibt ja sogar Eins-zu-Eins-Abgüsse von bekannten Pornodarstellerinnen. Nach dem Motto: „Wenn du dieses Toy fickst, fickst du diese Frau.“ Genau das wollten wir vermeiden. Tatsächlich fanden auch die meisten Homosexuellen, denen wir die Ussy gezeigt haben, sie richtig toll. Es gab nur einen, der den Namen ein bisschen zu feminin fand.
Der Name ist schon sehr nah dran an „Pussy”. Ein Begriff, der nicht gerade positiv konnotiert ist.
M: Aber er ist eine künstlerische Abwandlung von “Pussy”, er dekonstruiert diesen oft negativ verstandenen Begriff und verwandelt ihn in etwas ganz Neues. Das war unsere Idee. Ein paar Leuten ist er trotzdem zu noch nah an “Pussy” dran. Da ist jetzt auch unsere Awareness größer. Das nächste Toy bekommt vielleicht einen anderen Namen.
Aber so sieht die Ussy schon sehr nach Vagina aus, findet ihr nicht?
T: Klar, ein Masturbator ist natürlich immer irgendwie ein Kanal für den Penis. Die Form kann immer an eine Vagina erinnern. Wir haben versucht, mit dem Design möglichst weit davon wegzukommen. Bei Dildos löst man das ja sehr elegant, denen kannst du jede Form geben. Wir wollten es aber auch nicht zu spielzeugmäßig machen, mit Ohren oder so. Es sollte auch nicht aussehen, als würdest du einen Delfin penetrieren.
M: Es ist ein bisschen vom weiblichen Körper inspiriert, aber auch einfach von Körpern generell. Wie ein Kunstwerk, das jeder auf seine Weise interpretieren kann. Du kannst genau das darin sehen, was dich eben anmacht.
Welches Feedback habt ihr von Frauen bekommen?
T: Viele Frauen lieben es. Eine hat mir geschrieben: “Ich wünschte, ich hätte einen Penis, um es auszuprobieren”.
M: Was die Form betrifft gab es wirklich überhaupt keine negativen Kommentare von Frauen. Wir haben im Prozess auch immer mit Frauen gesprochen, meine Freundin zum Beispiel hatte großen Einfluss darauf, wie wir die Ussy bewerben und promoten.
Ihr werbt mit dem Slogan “The first Masturbator with style”. Hat die Männerwelt ein Sextoy-Problem?
M: Viele Männertoys sind hässlich und sehen aus, als wären sie für Perverse. Wir wollten etwas, das gut aussieht. Die Leute sollen sich nicht schuldig fühlen, wenn sie masturbieren. Ich glaube, die meisten Männer haben Angst, dass sich Leute lustig machen oder es so wirkt, als würden sie niemanden abbekommen. Dabei masturbieren viele jeden Tag, vom Teenager bis zum Rentner.
Also ein wichs-positiver Ansatz?
T: Ja. Es gibt Kinofilme darüber, wie Jugendliche auf einen Keks onanieren und der letzte, der kommt, muss ihn essen. Da wird gelacht, das ist alles okay. Aber wenn es um Sextoys geht, ist da gleich so eine Zurückhaltung. Das wollen wir ändern.
Dazu müsst ihr eine Menge Ussys verkaufen. Noch gibt es sie nur in ein paar Shops und im Internet.
T: Es sind hauptsächlich kleinere Shops, die sexpositiv sind und zum Beispiel auch Workshops anbieten. Wir versuchen, die Ussy von Läden fernzuhalten, in die du deine Mutter nicht mitnehmen würdest.Wir haben Angst, dass sie aus Versehen in die Schmuddelecke abrutscht.
M: Wir hatten auch schon Angebote von großen Sextoy-Firmen, aber denen geht es nur ums Geld. Da ist egal, ob es ein gutes Produkt ist. Es heißt immer: “Können wir das für das 2.5-fache verkaufen? Nein? Danke, kein Interesse.” Da hatten wir immer Schiss, dass die uns verarschen und unsere Idee einfach klauen. Wir sind eben keine Business-Typen.
Trotzdem habt ihr schon den Sextoy-Ritterschlag bekommen: Die Ussy wird bald im Museum of Sex in New York zu sehen sein, dem vielleicht renommiertesten Sex-Museum der Welt. Wie habt ihr das hinbekommen?
M: Im Herbst war ich in New York, um Freunde zu besuchen. Ich dachte: “Wie geil wäre es, wenn die Ussy im Museum of Sex stünde?” Also bin ich mit der Ussy da reinmarschiert und habe nach dem Manager gefragt. Der hatte wirklich kurz Zeit und fand sie toll. Er sagte: Schick mir doch mal ein paar. Jetzt wird sie ab Mai dort im Shop ausgestellt und verkauft.
Was bedeutet das für euch und die Ussy?
T: Das ist das Größte.
M: Ja, das größte Kompliment, das wir jemals bekommen konnten. Die anderen Toys sind von großen Firmen und wir sind zwei Typen aus Berlin, die bisher alles selbst gemacht haben. Dass sie die Ussy ausstellen, ist der Wahnsinn. Ein Traum.
Was sagen eigentlich Mama und Papa dazu, dass ihr einen Masturbator entwickelt?
T: Meine Eltern finden es gut, dass ihr Sohn was Selbstständiges macht. Was ich mache, ist nicht so wichtig, solange es mir Spaß macht.
M: Meine Eltern waren erst mal so „Michael, what are you doing!?“ Die Menschen in den Vororten von Atlanta sind noch nicht so aufgeschlossen wie in Berlin. Aber als ich ihnen den Ansatz erklärt habe und dass es nicht sexistisch ist, dass wir was Positives machen, war es okay. Wenn die Nachbarn fragen, was ich mache, sagen sie einfach: Michael ist Künstler.
Habt ihr die Ussy euren Eltern mal gezeigt?
T: Ja, die Reaktionen waren eher verhalten: „Passt. Gut. Danke.“ Wie wenn du einen richtig beschissenen Kaffee machst. So „Danke, aber…nein Danke.“