
Spätestens seit dem rechtsextremen Anschlag in Halle diskutiert Deutschland über einen wachsenden, gewalttätigen Antisemitismus. Viele jüdische Menschen in Deutschland und Europa spüren das schon länger: Immer mehr von ihnen zieht es nach Israel . Warum gehen sie? Und erfüllt sich ihr Traum vom gelobten Land? Ein Thema, das uns schon seit Beginn unserer Zusammenarbeit umtreibt. Mit dem Recherchestipendium der Brost-Stiftung können wir es nun 2020 endlich umsetzen.
Wachsender Antisemitismus
Ein Rechtsextremist greift an Jom Kippur eine Synagoge in Halle an. Ein Jude wird in Berlin auf offener Straße mit einem Gürtel verprügelt. Trotz Holocaust-Leugnern in ihren Reihen sitzt die AfD im deutschen Bundestag. Antisemitische Schmierereien gehören ebenso wie krude Verschwörungstheorien zum Alltag. Selbst der Zentralrat der Juden rät inzwischen vom öffentlichen Tragen einer Kippa ab. Ähnliche Tendenzen lassen sich in anderen europäischen Ländern erkennen. Der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Halle, denkt übers Auswandern nach.
Der Staat Israel pflegt derweil das Bild vom sicheren Hafen für die Juden dieser Welt. Präsident Netanjahu fordert sie nach Anschlägen in Dänemark, Frankreich und Belgien auf zur Alija, der “Heimkehr” ins Heilige Land. Seit der Staatsgründung garantiert Israel jüdischen Menschen die Staatsbürgerschaft – egal, woher sie kommen. Das neue Nationalstaatsgesetz zementiert dieses Recht und erklärt Israel noch einmal explizit zum Land des jüdischen Volkes. Eine eigene Agentur wirbt um jüdische Immigration, unterstützt Einwanderer mit Sprachkursen und Mietzuschüssen. Junge Juden aus aller Welt lädt das Land auf eine kostenlose Reise in die Heimat ihrer Vorfahren ein – in der Hoffnung, dass sie bleiben. Kein Wunder: Der Staat ist auf Einwanderung angewiesen.
Jährlich folgen Zehntausende Europäer diesem Ruf und immigrieren. Doch lässt sich der Traum vom Gelobten Land in dieser Region der Welt überhaupt verwirklichen? Wir wollen herausfinden, wieso heute – 70 Jahre nach Staatsgründung – Juden aus Europa nach Israel auswandern. Ist es wirklich wachsender Antisemitismus, der sie in den Nahen Osten treibt? Hält das Gelobte Land, was es verspricht? Wie hoch ist der Preis, den Juden für ein Leben in Israel zahlen?
Recherche-Stipendium ab 2020
Diese Fragen wollen wir beantworten – mit Menschen, die nach Israel ausgewandert sind und solchen, die es vorhaben. Dafür planen wir neben der Recherche in Deutschland auch eine mehrwöchige Recherche in Israel. Das ist etwas, wofür Redaktionen – gerade an Freie – im Voraus ungern Geld zahlen. Deshalb haben wir uns auf das Recherchestipendium der Brost-Stiftung beworben – und hatten das nötige Quäntchen Glück. Ab Januar 2020 können wir uns nun diesem Thema widmen! Wir freuen uns sehr auf die Recherche.